Wie lassen sich Film und Fotografie über die konkreten Verfahren ihrer Produktion undPostproduktion begreifen? Inwiefern verweisen diese Verfahren auf Austauschprozesse, die den Versuch medialer Grenzziehung nicht nur programmatisch erschweren, sondern vielmehr noch auf die Bearbeitung gemeinsamer Problemstellungen im Feld des ästhetischen Handelns verweisen? Ausgehend von der Beobachtung einer regen künstlerischen Praxis der wechselseitigen Aneignung von Bildpraktiken gehen die Autoren des Bandes der Frage nach, wie sich das Verhältnis zwischen Film und Fotografie hinsichtlich ihrer logistischen Organisationsformen, institutionellen Bedingungen und ästhetischen Versuchsanordnungen gestaltet.

Wenn es wahr ist, dass der Film heute nicht mehr selbstverständlich in der Genealogie desfotografischen Bildes gedacht werden kann, insofern dieses an die Prämisse der automatischen Aufzeichnung eines Objekts auf einem materiellen Träger gebunden war, so dürfte ebenso wahr sein, dass dasselbe für die Fotografie gilt. Die Digitalisierung benennt hierbei weniger einen technischen als einen diskursiven Wandel, in dessen Zuge sich dasVerhältnis von Fotografie und Film rekonfiguriert. Von ihrem Eintritt in ein postfotografisches Zeitalter kann allerdings nur unter der Voraussetzung sinnvoll gesprochen werden, dass damit nicht der Niedergang des Fotografischen, sondern die theoretische Verlegenheit um seine adäquate Neubestimmung zum Ausdruck kommt. Eine Möglichkeit, dieser theoretischen Verlegenheit zu begegnen, besteht darin, das Fotografische mehr oder weniger unabhängig von seiner technischen Basis zu denken: als ästhetischen Zustand, in den Bilder eintreten oder durch den sie hindurchgehen, mithin als etwas, das nicht apriori  gesetzt ist, sondern in der künstlerischen Arbeit jeweils neu erzeugt wird. Raymond Bellour hat in diesem Zusammenhang von einer »esthétique de la confusion« gesprochen, von einer Verwirrung oder Vermischung filmischer und fotografischer Ästhetik, die jede Vorstellung von Medienspezifität zurückweist. Das Fotografische wäre demnach als eine Kategorie zu denken, die quer zur Unterscheidung zwischen den Medien der Fotografie unddes Films liegt. Gleichwohl bleibt die Auseinandersetzung mit Film und Fotografie in weiten Bereichen der gegenwärtigen Forschungsdebatte auf die Auslotung der Differenz zwischen Bewegung und Stillstand in ihren schier endlos modulierbaren Erscheinungen und zeitphilosophischen Implikationen bezogen.
Der vorliegende Band nimmt dies zum Anlass, das Fotografische – über die ästhetische Konfusion von Bewegung und Stillstand hinaus – als Erzeugung aus der Praxis zu denken und es in den Kontext materialer, sozialer und institutioneller Relationen zu setzen. Er dokumentiert die Ergebnisse einer interdisziplinären Tagung am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich und lädt dazu ein, Film und Fotografie in den
Kontexten ihrer Produktion und Postproduktion zu betrachten.