Dokumentarische Ethik / Parker Tyler [Montage AV 1/2016]
Gesellschaft für Theorie und Geschichte audiovisueller Medien e.V. (Hg.)

Montage AV [1/2016]

200 Seiten, viele Abb.
Juni 2016
14,90 €
vergriffen
ISBN 978-3-89472-934-9

Dokumentarische Ethik / Parker Tyler [Montage AV 1/2016]

Montage AV [1/2016]

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift MONTAGE AV beschäftigt sich mit ethischen Fragen dokumentarischer Praxis

Die Beziehung zu den Menschen, denen Dokumentarfilmer mit der Kamera begegnen, ist eine immer ungleiche, ungleichgewichtige, geprägt von einem Gefälle kommunikativer (zuweilen auch sozialer) Macht: der Dokumentarfilmer als Jäger, der Bilder und O-Töne erbeutet, mit denen er im Dunkeln des Schneideraums verschwindet, um ihnen nach Gutdünken Form zu verleihen?
Die Frage nach der Repräsentation Anderer bildet eine der Kernbestimmungen des Dokumentarfilms und umreißt zugleich die ethische Problematik der Gattung. Jede Dokumentarfilmproduktion konstituiert ein soziales Feld, in dem sich Individuen zueinander verhalten und kommunikative Rollen einnehmen. Die Akteure vor der Kamera mögen Objekte einer «Film-Enquête» sein (so hat Jean Rouch seine Arbeit charakterisiert), sie mögen adressiert werden als Opfer politischer Unterdrückung oder ökonomischer Ausbeutung, denen eine Stimme verliehen werden soll, sie mögen zu Komplizen im dokumentarfilmischen Prozess werden oder sich als ein Gegenüber erweisen, an dem der Filmemacher sich reibt oder gegen das er anrennt – und immer sind sie zugleich auch Darsteller ihrer selbst, die das Recht auf Gestaltung des eigenen Bilds für sich in Anspruch nehmen.
Die Rolle des Filmemachers ist ebenso wenig festgeschrieben: Sie oder er mag sich als unsichtbarer Beobachter, nüchterner Chronist oder als Poet verstehen, mag sich als Anwältin der Unterdrückten gerieren, als investigativ arbeitender Detektiv oder auch als Guerilla-Kämpferin, mag sich als verständnisvoller Gesprächspartner oder gar als Therapeut anbieten, oder er mag als Performer vor der eigenen Kamera agieren.
Wie immer die Ausformung dieser Rollen vor und hinter der Kamera sich gestaltet: Die soziale Situation der Filmarbeit und das Rollengefüge spiegeln sich im Dokumentarfilm wider.
Im zweiten Schwerpunkt dieser Ausgabe wird der Fokus auf den Filmkritiker und -theoretiker Parker Tyler gerichtet. Tyler war in den 1940er- und 1950er-Jahren neben James Agee, Robert Warshow oder Siegfried Kracauer einer der einflussreichsten Vertreter einer erst aufkommenden US-amerikanischen Filmkultur.

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